Französisch Guyana

25.02. – 26.02.2020

Mit zeitweise mehr als 10 kn Fahrt spuckt uns der Suriname River, verstärkt durch die Gezeitenströmung, wieder ins Meer hinaus. Im Gegensatz zu der Etappe von Tobago nach Suriname ist der Guyana-Strom, welcher parallel zum Ufer nordwärts setzt und somit unserer Fahrtrichtung entgegengesetzt ist, jetzt deutlich zu spüren. Wir kreuzen tapfer auf und sind am Nachmittag des 26.2. an der Mündung des Maroni Rivers, dem Grenzfluss zwischen Suriname und Französisch Guyana. Im Fahrwasser umfahren wir ein kopulierendes Schildkrötenpärchen und dann fällt der Anker im Flusslauf.

Stille! Nur das Strudeln des kräftigen Stromes und die Geräusche des Dschungels direkt neben uns! Wir sind glücklich, einen so hinreißenden Platz nur für uns zu haben!

27.02. – 10.03.2020

Mit dem ersten Tageslicht kurz nach 6 Uhr verlassen wir unseren Ankerplatz und nutzen die letzten 2 Stunden der auflaufenden Gezeitenströmung, um die 15 Meilen flussaufwärts bis St.Laurent du Maroni zu bewältigen. Vor der Marina (die eigentlich nur aus 10 Mooringtonnen im Flusslauf besteht) entdecken wir eine Insel, die nicht in der Karte verzeichnet ist. Wundersam! Beim Näherkommen stellt sich heraus, dass die Insel ein riesiges Wrack ist, welches mittlerweile schon mit großen Bäumen bewachsen ist.

Pünktlich mit Stillwasser schnappen wir uns eine der Mooringtonnen und ziehen in die Stadt. Französisch-Guyana ist Teil von Frankreich und damit Europa.  Daraus resultieren nur unbedeutende Einklarierungsformalitäten, Telefongebühren wie in Europa und der Euro als Zahlungsmittel. Auch mal wieder ganz angenehm!

David, der Betreiber der „Marina“, ist Australier italienischer Abstammung und ungeheuer hilfsbereit. Nach den kurzen Formalien gibt es eine Stadtrundfahrt in seinem Auto und viele Tipps für Kneipen und Reparaturen. Wir fühlen uns sofort in die Marinafamilie aufgenommen.

In den nächsten Tagen sind wir viel mit dem Fahrrad unterwegs. Die Sehenswürdigkeiten der wenigen Orte rundherum bestehen ausschließlich aus Gefängnissen, in welche Frankreich seine Schwerverbrecher und auch Unschuldige (wie z.B. Papillon) deportierte!  Und dazwischen der Dschungel und das schlammige Wasser des Maroni Rivers mit seinen vielen Nebenarmen!

Am 1. März mieten wir uns ein Auto und fahren in das 250km entfernte Cayenne, die Hauptstadt des Landes! Heute kommt unser Sohn Friedrich mit Freundin Franzi per Flugzeug an und werden 3 Wochen bei uns an Bord bleiben. Was für eine Freude!

Die Fahrt auf der kaum befahrenen 1a-Piste quer durch den Dschungel geht flott voran, so dass noch ein Besuch der durch die Raketenstarts bekannte Stadt Kourou möglich ist. Irgendwann soll es demnächst wieder einen Start geben und wir wären gerne dabei! Das Internet gibt jedoch verschiedene Termine an und wir erhoffen uns hier Aufklärung.  Aber das Raketenzentrum wirkt am Sonntag-Nachmittag genau wie der Rest der Welt zu dieser Zeit: TOT! Kein Mensch weit und breit!

Am Abend schließen wir unsere Kinder auf dem Flugplatz in die Arme und spät in der Nacht sind wir wieder an Bord!

Gemeinsam genießen wir die nächsten Tage europäisch-französische Ess- und Trinkkultur (Wein aus Gläsern; Bier nicht aus der Büchse…), den riesigen Gemüse- und Obstmarkt der Stadt und vieles mehr. Es ist schön, wieder einmal Familie um sich zu haben!

Nachdem der nächste Raketenstart nun klar feststeht (5.3.; 22.30 Uhr) machen wir uns wieder auf dem Weg dorthin per Mietwagen.

Den Tag nutzen wir für eine 15km lange Wanderung durch den Dschungel. Mehrfach hangeln sich Horden von Totenkopf-Äffchen über uns hinweg und Horden von Mosquitos stürzen sich auf uns! Am Abend in Kourou erfahren wir dann, dass der Start wegen Wetter oder sonst was verschoben wird. Na toll! Sehr spät in der Nacht sind wir wieder an Bord!

Irgendwann verabschieden wir uns dann schweren Herzens von David und seiner Crew! Der Maroni River hat mehrere befahrbare Nebenarme, welche als Rundstrecke später wieder in den Hauptfluss zurückführen. Hier ist man nun mitten im Dschungel, was wir uns nicht entgehen lassen wollen. Das Wasser ist noch schlammiger, die manchmal merkwürdigen Geräusche der Natur (Zikaden, Brüllaffen etc.) noch näher und die Strömung teilweise noch kräftiger, so dass der Anker nicht immer gleich hält. An einer Flachstelle treffen wir auf ein französisches Bootspärchen, welche auf steigendes Wasser warten. Die zweite Hälfte der Tour fahren wir jetzt zusammen. Und am Abend treffen wir uns zum Sonnenuntergangsgetränk und tauschen Bilder aus. Da Sophie und Simon eine Drohne im Einsatz hatten, gibt es mal völlig überraschende Bilder von Esmeralda aus der Vogelperspektive.

Zum Film:    Creek Film-1

In der Nacht dann der große Schock: Friedrich weckt uns mit der Nachricht, dass das Dinghy weg ist! Der gewaltige, in der Richtung wechselnde Gezeitenstrom hat den Festmacher von der Klampe gelöst (Ja wie soll das denn gehen???) und das Schlauchboot mitgerissen. In der geringen Hoffnung, dass der kippende Strom das Boot wieder zurück bringt, bleibt eine Wache im Cockpit und beobachtet bei guten Lichtverhältnissen (Vollmond) den Fluss. Natürlich kommt es nicht zurück! Am Morgen entdeckt Friedrich kurz vor der Flussmündung per Fernglas ein auffälliges Gebilde und – tatsächlich- beim Näherkommen finden wir den Ausreißer im Gebüsch verhakt wieder. Was für ein glücklicher Tag! Ca. 200 Meter weiter wäre es auf das offene Meer getrieben! Spontan beschließt die Besatzung des Segelbootes Esmeralda das Zweitboot in „Friedrich“ umzutaufen!

Nach den ausgiebigen Feierlichkeiten ziehen wir los in Richtung Iles du Salut, welche direkt vor dem nunmehr bekannten Kourou liegen! Wind, Welle und Strömung lassen auch diese Tour etwas sportlich-herausfordernder werden, aber, was solls, am nächsten Tag laufen wir ein in das Paradies und der Anker fällt vor der Ile Royale in einer palmenumsäumten Bucht. Vorerst sogar in Einsamkeit; kein anderes Boot ist hier!

Auch das Wasser ist wieder relativ blau. Fühlten wir uns am Morgen bei der Ankunft in Suriname wie Deutschland nach der Reichstagswahl 1933 (auf einmal war alles braun), so sind wir doch jetzt dem massiven Schlammeinstrom durch die großen Flüsse scheinbar erst einmal entronnen. Wobei jedoch ein positiver Effekt des permanenten Schlammpeelings erkennbar ist: Das Unterwasserschiff ist sauber geputzt; kaum eine Seepocke klebt noch am Rumpf.

11.03. – 12.03.2020

Der paradiesische Eindruck bestätigt sich beim Betreten der Insel. Auch hier natürlich das Gefängnis (Papillon war z.B. auf der Nachbarinsel Ile du Diable), schöne alte Häuser, teilweise nur noch als Ruinen, eine kleine Kirche und immer wieder Ausblicke auf die Nachbarinseln (Die dritte – noch fehlende- Insel heißt Ile Saint-Joseph.)! Wunderschön! Alles wirkt so entrückend, aber die Besichtigung des Zellentraktes lässt uns wieder in die Realität zurückschnellen. Hier lebten Menschen auf ca 2m² Fläche in fast völliger Dunkelheit. Unvorstellbar, welch ein Leid sich Menschen gegenseitig zufügen können!

Überall auf der Insel sind Kapuzineraffen! Vermutlich an Menschen gewöhnt kommen sie recht nahe und sind an jeder Form von Futter interessiert. Auch ein paar Totenkopfäffchen sind zu sehen und ein Äffchen setzt sich sogar auf unsere Schultern und kann sich so den kriegerischen Anfeindungen der Kapuziner-Kollegen entziehen! Ach, was ist es nicht schön! Wir Vier verleben eine sehr glückliche Zeit!

13.03.2020

Der Senior der Besatzung des Segelschiffes Esmeralda rudert die Crew mit dem Dinghy bei berstender Hitze, bis zum letzten Ruderschlag aufopferungsvoll kämpfend, über ein Teilstück des Atlantischen Ozeans zur Ile St.Joseph. Auch auf dieser Insel ist das Gefangenenlager wieder dominierend, wobei jedoch hier keine Anstrengungen unternommen wurden, den riesigen Gebäudekomplex zu erhalten. Ein morbider Charme geht von den Ruinen aus. Bereits 80 Jahre nach deren Stilllegung sind die Eisengitter vom Rost fast vollständig zerfressen und große Bäume wachsen aus den Zellen heraus.  Es wird nicht mehr lange dauern und die Natur wird sich das Gelände restlos zurückgeholt haben.

14.03. – 22.03.2020

Irgendwann ist es dann soweit: Nach einem letzten Tag auf den Inseln müssen wir nun doch mal weiter und segeln die 10 Meilen bis Kourou. Wir ankern wieder in braunem Wasser des Kourou-Flusses. Hier holt uns dann auch die Realwelt wieder ein und wir erfahren, dass seit dem 15.03. hier (wie in Frankreich) Quarantäne herrscht und wir eigentlich nicht das Boot verlassen dürfen. Um mit den Kindern noch die letzten Tage zu genießen, hatten wir aber bereits ein Auto gemietet, welches wir jetzt auch nutzen wollen. Wir machen ein paar Wanderungen, besuchen die völlig ausgestorbene Hauptstadt Cayenne und werden am 18.03. auf der Strasse von der Polizei angehalten und – sehr freundlich – wieder auf das Boot geschickt. Wir sind natürlich artig und kehren heim, obwohl bei 15 Corona-Fällen (6 davon geheilt) in Französisch-Guyana diese Maßnahmen etwas überzogen erscheinen. Aber hier herrschen nun einmal auch die französischen Regeln, welche im eigentlichen Lande sicherlich angemessen sind.

Am 20.03. verlassen uns dann regulär unsere Kinder. Zum Glück ist der Flug nach Paris nicht storniert und nur die Zugfahrt von Paris nach Berlin ist dann recht abenteuerlich. Diese Abschiede sind ja sowieso immer schon recht traurig und das momentan etwas trostlose Leben hier macht alles nicht besser. Trotzdem war Französisch-Guyana für uns eine wunderbare Erfahrung. Wir haben viele Tiere in freier Wildbahn gesehen, die wir bestenfalls aus dem Zoo kannten. Neben den vielen Affen überall sahen wir den großen Ameisenbär, exotische Vögel (z.B. den roten Ibis) und Faultiere. Abgesehen von den Küstenregionen ist das ganze Land ein einziger Urwald und vermutlich ein Paradies für Tiere.

Nach der Abreise der Kinder machen wir das Boot bereit für die lange Überfahrt nach Brasilien. Da wir nun dem heftigen Guyana-Strom ausweichen wollen, müssen wir weit hinaus auf das Meer und so planen wir ca 3 Wochen für den Trip nach Jacare´/Cabedelo ein. Morgen, am Montag, soll es losgehen. Die täglichen Positionen können wie immer unter Winlink (Winlink.org->Positions->bei Enter Callsign DO2ESM eingeben) eingesehen werden. Wir hoffen, dass man uns in Brasilien in den Hafen läßt und in 3 Wochen die Corona-Situation etwas entspannter ist. Herzliche Grüße nach Deutschland, passt auf euch auf und bleibt gesund!